Der Medouroboros

In der griechischen Mythologie ist der Ouroboros (οὐροβόρος) ein Fabelwesen, dass sich in den eigenen Schwanz beißt. In Franken haben wir das auch, der Walfisch im Staffelberg macht das Gleiche. Und ich hatte mal einen Patienten, der… naja, falsches Thema.
Wir befinden uns, nicht erst seit COVID-19, in einem Medouroboros. Einer medizinischen Köpenikiade, welche in den nächsten zehn Jahren zu einer totalen Zerstörung der ärztlichen Versorgung führen könnte.
Der Schwanz beginnt mit dem Ärzt:innen-Mangel. Dieser ist nicht nur durch den Burnout der letzten Jahre bedingt, sondern die direkte Folge einer unguten Ausbildungs- und Arbeitspolitik in der Medizin. Deutschland ist das einzige moderne Land, das immer noch keine Akademisierung der Pflege am Bett zulässt. Stattdessen wird “Pflege” bei uns als bessere Zugehpersonen gesehen, Waschen, Wenden, Abendessen, alle weiteren Funktionen sind ärztlich. Das haben wir uns selbst eingebrockt, wir haben uns bei Ausbildungs- und Kompetenzerweiterungen sehr bockig gegen die “Invasion in die ärztlichen Befugnisse” gewehrt.
Damit sind Ärzt:innen in Aufgaben gefangen, die in Spanien, Schweden, Südafrika, oder dem Sudan, von Pflegenden ausgeführt werden. Mehr Aufgaben bedeutet zum Einen eine größere Menge an benötigten Ärzt:innen, und zum Anderen eine Abwanderung der Pflege, welche natürlich auch ungerne ohne breitere Befugnisse arbeiten will.
Zum Zweiten bilden wir zu wenige Ärzt:innen aus. Rheinland-Pfalz hat 2019 die Anzahl an Studienplätzen, unter Murren und Beschweren, auf 450 pro Jahr erhöht. Nimmt man die Durchfallquote, Studierende die nach dem Abschluss wieder in das heimatliche Ausland gehen, plus etwa 13% aller Ärzt:innen, die nach dem Studium nicht ärztlich tätig werden, kommt man auf etwa 390 approbierte Stellen pro Jahr.
Dank Veralterung einiger Fachrichtungen (Endokrinologie, Rheumatologie, Allgemeinmedizin), braucht RLP aber fast 1000 Ärzt:innen. Die Fehlenden werden aus anderen Bundesländern (bei denen es oft genau so aussieht, nur Bayern hat einen Überschuss) abgezogen oder kommen aus dem Ausland (10’000 und mehr pro Jahr).
Und damit kommen wir zum zweiten Teil dieses Schwanzbisses: Ausbildungen.
Deutschland könnte, wie Norwegen oder Schweden, fehlende Studienplätze wettmachen, indem es Studierenden das Studium im Ausland finanziell ermöglicht. Norwegische Student:innen in z.B. Polen, Ungarn, auf Zypern, oder Italien, können bis zu 20’000€/Jahr als Studiengelder erhalten, so lange sie einen befriedigenden Notendurchschnitt nachweisen können und innerhalb der Regelstudienzeit bleiben. Verpflichtend ist nur, danach 10 Jahre in Norwegen (8 in Schweden) tätig zu sein.
Stattdessen baut Deutschland auf eine weit “billigere” Herangehensweise: steuerliche Abschreibung. Eltern oder Studierende selbst, die ein Studium im Ausland finanzieren, können bis zu 9000€/Jahr steuerlich geltend machen.
Ausbildungen brauchen Ausbilder
Leider führt das dann zum vollen Ouroboros: Wir brauchen mehr Ärzt:innen. Um diese auszubilden, brauchen wir aber ausgebildete Ärzt:innen, mit guten Deutschkenntnissen und Erfahrung im lokalen Gesundheitswesen.
Die Ärzt:innen, die wir haben, sind schon zu wenige, haben Burnout, und sind mit Arbeiten ausgelastet, die eine geschulte Pflegekraft tun könnte. Also nicht genug um Arbeit zu machen und auszubilden.
Um mehr Ärzt:innen zu haben, brauchen wir mehr Ausbilder. Deutschland hat zudem eine extrem negative Einstellung zu Praktika für Studierende im Ausland. Das ist kein Wunder, die meisten Unikliniken sind schon mit den Studierenden der eigenen Uni an der Belastungsgrenze. “Show me a medical student who only triples my work, and I show you a good medical student” sagte schon Fat Man zu Roy Barsch.
Praktika und PJ sind aber der beste Weg, für beide Seiten, sich zu bewerben. Und in einem “Sellers Market”, in dem neue Ärzt:innen händeringend gesucht werden, sind Famulaturen und PJ die beste Werbung für das eigene Haus.

Da helfen solche Sachen ganz und gar nicht. “Die Regularien sehen vor, dass Sie an einer Deutschen Hochschule im Fach Humanmedizin eingeschrieben sind. Studenten von ausländischen Universitäten können wir bei der Förderung des Blockpraktikums nicht berücksichtigen.” ist absoluter Unsinn in einem Jahr, in dem wir 500 Hausärzte zur Ausbildung suchen und jede:r dritte Ärzt:in über 60 ist.
Die Krone dieser E-Mail ist zudem, dass die Dame nicht nach einer Förderung ansuchte, sondern info@bhaev.de angefragt hatte, ob diese eine Liste von Hausärzt:innen hätte, die Sommer-Praktika anbieten. Der Bayerischer Hausärzteverband e.V. gibt sein Geld wohl lieber für die Veranstaltung von Werbe-Konferenzen als die direkte Anwerbung zukünftiger Hausärzt:innen aus.